Stillen ist eine der wichtigsten Funktionen zu Beginn des Lebens: Es spendet Nahrung und Sicherheit, dient der Gehirnentwicklung, dem Aufbau des Immunsystems und mehr. Stillen ist der Architekt der oberen Atemwege, des Kiefers, des Gesichts. Es hilft frühkindliche Reflexe zu integrieren, es baut Muskulatur auf und trainiert komplexe Bewegungsmuster, die ein funktionelles Körperwachstum ermöglichen. Und sicher gibt es noch viele tolle Dinge mehr, die das Stillen als Potential mit sich bringt.
Gemeinhin werden diese Dinge als „Vorteile“ des Stillens aufgezählt – und gemeinhin kenne ich viele Menschen, die sich fragen, warum diese Liste in ihren Ohren eher wie Still-Marketing klingt und so gar nicht mit ihrer persönlichen Wahrnehmung und Erfahrung übereinstimmt. Gerade wenn trotz langer Stillzeit über mehrere Jahre hinweg, Zahnfehlstellungen, Mundatmung und Heuschnupfen auftauchen, treten Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Stilllobby auf. Die Frage liegt nahe und ist allzu verständlich, warum genau man selbst die Ausnahme der Regel zu sein scheint.
Nimmt man Funktion als Maßstab, reicht es leider nicht aus, dass das Baby altersgerecht zunimmt und die Mutter keine Schmerzen hat. Funktion will mehr! Funktion will all die Dinge, die ich oben genannt habe. Funktion will gesunde Entwicklung und Wachstum zum individuellen Optimum. Und ja, Stillen hat durchaus das Potential dieses Optimum in die Wege zu leiten. Dazu ist es da, dazu hat die Natur es gemacht. Schaut man sich beispielsweise das natürliche Abstillalter an – zwischen 2 und 7 Jahren – fällt das grandioser Weise ziemlich genau zusammen mit der Hauptwachstumsphase der oberen Atemwege: Ca. 85% des Unter- und Oberkiefers sind bis zum Alter von 5 Jahren ausgewachsen. (The Progression of Craniofacial Growth and Development: An Anthropological Study Applicable to the Forensic and Identity Sciences, 2016 Albert & Wright)
Ja, Stillen IST u.a. der Architekt der oberen Atemwege. Allerdings unterscheiden sich die Architekten von Baby zu Baby, von Still-Dyade zu Still-Dyade, von Familie zu Familie, von Gesellschaft zu Gesellschaft. Wissen & Information, persönliche, familiäre & gesellschaftliche Einstellung und Verhaltensmuster, anatomische Gegebenheiten, Reflexe, Beweglichkeit, Körperhaltung, Tonus, Zustand des Nervensystems, Milchbildung, Milchfluss und vieles mehr, haben gegenseitigen Einfluss auf die Mechanik des Stillens und das Stillen als Ganzes – positiv wie negativ!
Je mehr die einzelnen Gebiete harmonisch und funktionell ineinandergreifen, umso mehr Gesamtfunktion kann entstehen.
Und genau diese Gesamtfunktion hat die funktionsorientierte Stillberatung als Ziel.